Manfred Schlosser wird 80. Eine Theater-Legende für alle Zeiten.
Andreas Golz
Der Bonvivant der Bühnenbretter
Manfred Schlosser wird 80. Eine Theater-Legende für alle Zeiten.
Die für einen Sommertag unbotmäßige Wetterkonstellation mit Regen, Wind und Kühle hatte einst Ferienwelle-Sprecher Manfred Schlosser als Entenwetter bezeichnet. Das sei ihm so eingefallen, verriet er später. Na Klasse! Moderatoren, die sich spontanen Intentionen hingaben, hatten im restriktiven DDR-Rundfunk noch gefehlt. Mochten die Radio-Koryphäen Lindemann, Raasch, Kröchert & Co. dem Herrn Schlosser sein wildes Gestikulieren wie bei einem Faust-Monolog hinterm Mikrofon auch austreiben, sein subtiles Ausscheren aus der protokollierten Moderation konnten sie nicht verhindern. Aber Schlosser war ja auch nicht der eigens bestallte Ansager.
„Wer sind Sie denn?“, fragte die Ikone der DDR-Sportreporterriege, Heinz Florian Oertel, als Schlosser im Sportfernsehen als Nachrichtensprecher seine Aufwartung machte. Der berühmte Oertel! „Ein sympathischer Mensch ohne Allüren“, erinnert sich Schlosser. Schließlich einte „Manni“ und „Flori“ ihre wahre Bestimmung: die Schauspielerei.
Manfred Schlosser, der Bonvivant der Bühnenbretter. Mehr als 50 Jahre erlag er dem Rampenlicht. Das Sorbische Theater in Bautzen kehrte dem jungen Mann 1959 die Rampen und Schlosser spielte was die Repertoires hergaben. „Tod und Teufel, rauf und runter – alles!“ Oder fast, „denn der Ferdinand aus Kabale und Liebe, den eigentlich jeder Mime irgendwann gibt, ist an mir vorbeigegangen“, verrät Schlosser. 1969 stand er in Rostock vor dem Volkstheater. Damals in der höchst anspruchsvollen DDR-Theaterwelt mit großen Protagonisten eine erste Adresse. Schlosser vor dem Theaterpatriarchen Hanns-Anselm Perten. Der fand Gefallen an dem Schauspieler, den er ins proletarische Fach einordnete. Der Beginn einer Epoche, die den „liebenswerten Meckerkopf“ (Kollege Frank Buchwald) und den Despoten Perten oft genug auf Konfrontation gebürstet sah. „Aber Perten war ein Könner, ein Theaterfachmann“, sagt Schlosser. O’Neills „Eines langen Tages Reise in die Nacht“ begründete Schlossers Laufbahn mit rund 400 Rollen am Volkstheater, das ihn 2006 in einer stilvollen Performance zu seinem „Ehrenmitglied“ ernannte. Und jedermann wusste angesichts des Defilees der Gratulanten: Hier bekam Schauspielkunst ein Gesicht und einen Namen. Formvollendete Karriere? „Von wegen. Ich hätte gern mehr Kabarett gespielt. Zu Ost-Zeiten gab es eine Reihe ‚Küstenschoner in Fahrt’ im Theater-Café. Eine quasi Undercover-Geschichte, immer ausverkauft, mit viel Witz und Spaß. Perten war einer ihrer ersten Regisseure“, erzählt Manfred Schlosser.
2010 und der Sensenmann wetzte die Sichel: Schlosser war ernsthaft erkrankt. „Ein Seuchenjahr“, blickt er zurück auf eine Dramaturgie des Lebens, die ihm alles abverlangte: Erst den kämpferischen Behaupter-Part in langer Rekonvaleszenz, dann die Mutmacher-Rolle für andere Leidensgefährten: „Ich habe gearbeitet“, verrät Schlosser. Die Compagnie de Comédie hievte sich den künstlerisch schwergewichtigen Mann in ihre Avancen. Shakespeares Klassiker „Die lustigen Weiber von Windsor“ im Klostergarten. Schlosser als der fette Fallstaff. Oder das Weihnachtsmärchen „König Drosselbart“ in der Bühne 602. „Auf die Compagnie lasse ich nichts kommen“, versichert Schlosser dankbar. Bühnenluft als Elixier, Schicksal verdrängt, einfach überspielt. „Die alten Pferde laufen noch“, sagt „Manni“. Das klingt ein bisschen nach Sentiment. Wie sehr traf ihn da der frühe Tod seines Freundes und Kollegen Dirk Donath. Jahrelang hatten sie eine Adaption des ostdeutschen Komiker-Duos Herricht & Preil im Repertoire. Angesichts des perfektionierten Originals ein heikles Unterfangen. Es gelang. „Ich bin quasi mit ‚Manni’ verheiratet“, verriet Donath 2006 bei Schlossers Abschied. Ihr Mann könne gar nicht aufhören, prophezeite damals Schlossers Ehefrau Evelyn, seit mittlerweile 47 Jahren an seiner Seite.
Und nun? „Manni“ winkt ab: Nun sei es vorbei. Dem Menschen mag man es glauben. Auch dem Schauspieler?